Wien - Der Wiener Büromarkt wird europäischer - zumindest was die Leerstandsrate betrifft. "Die Leerstände werden heuer und wahrscheinlich auch im nächsten Jahr steigen", prognostiziert Andreas Ridder. "Heuer rechnen wir mit einem Anstieg von einem im internationalen Vergleich niedrigen Niveau von 6,1 auf 6,5 Prozent", sagt der Geschäftsführer des Immobilien-Dienstleisters CBRE Österreich. Er sieht darin eine Annäherung an andere europäische Hauptstädte. Zum Vergleich: Im Herbst vergangenen Jahres betrug die Leerstandsrate in Berlin rund 6,4 Prozent, in Warschau 6,5 Prozent, in Bratislava elf und in Budapest sogar 20 Prozent. Schon 2011 sei ein schwieriges Jahr gewesen, erläutert Ridder. "Die Vermietung ist um 5,5 Prozent zurückgegangen." Und das, obwohl die österreichische Wirtschaft im Vorjahr um real 3,2 Prozent gewachsen ist. Für heuer sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen noch weitaus schlechter. Das Wirschaftsforschungsinstitut Wifo rechnet mit nur 0,4 Prozent Wachstum und sogar mit einzelnen negativen Quartalen. Flächenangebot nimmt zu Ein Grund für den zu erwartenden Anstieg ungenutzter Büroflächen ist - neben einer schwächelnden Wirtschaft - in der Zunahme des Flächenangebots zu suchen. In Wien kommen heuer 62 Prozent mehr moderne Büroflächen auf den Markt, während die Nachfrage weiterhin auf Krisenniveau stagnieren wird, sagt der CBRE-Österreich-Chef. Man rechne mit zusätzlichen 304.000 Quadratmetern Bürofläche (neu und generalsaniert). Und das sei mehr als im Boomjahr 2007 (296.000 Quadratmeter). Der Immobilien-Dienstleister EHL geht von einem Rückgang der Vermietungsleistung von 210.000 auf 200.000 Quadratmeter aus. Die höchsten Leerstände seien in älteren Bürogebäuden mit hohen Betriebskosten zu erwarten. Die Mietpreise würden im Schnitt zwar nominell gleichbleiben, real aber sinken, meint EHL-Büromarktspezialistin Alexandra Ehrenberger. Der attraktivste Bürostandort in Wien ist und bleibt die Innere Stadt: 43 Prozent aller Anmietungen spielten sich im vierten Quartal des letzten Jahres in dieser Lage ab. Prominentes Beispiel hierfür war im zweiten Halbjahr der STANDARD mit einer angemieteten Bürofläche von 6000 Quadratmetern. Gefragt war auch die Region Wienerberg (28 Prozent) sowie Donau-City und Lassallestraße (15 Prozent). Wohingegen der Prater und der Norden der Stadt bei Mietern nicht sehr beliebt sind. Schon seit Herbst 2011 hat der gewerbliche Investmentmarkt mit Gegenwind zu kämpfen. Grund dafür sind die Kreditfinanzierungen, die für mittlere und große Transaktionen schwieriger geworden sind. Die geringe Nachfrage konzentriere sich zunehmend auf das absolute Topsegment, heißt es bei EHL. Beim Immobilienmakler-Verbund Remax rechnet man damit, dass Büros, Geschäftslokale und Betriebsobjekte mehr als drei Prozent an Wert verlieren werden. Retailimmobilien im Trend Andreas Ridder beziffert den Investmentmarkt in Österreich mit 1,6 bis 1,7 Milliarden Euro. Das ist der Wert des Vorjahres: Dabei entfielen rund 27 Prozent des Investmentvolumens auf Büroimmobilien, während 24 Prozent in Hotels investiert wurden. Aufs Stockerl schafft es mit 18 Prozent auch der Retailbereich. Damit liegt Österreich aber noch nicht im europäischen Trend, denn in den meisten Investmentmärkten nimmt vor allem das Interesse an Retailimmobilien kontinuierlich zu. "Zurzeit haben wir in Österreich eine relativ ausgewogene Situation", stellt Ridder fest. Das war nicht immer so. "Noch im Jahr 2010 entfielen rund 48 Prozent aller Investments auf Büroimmobilien." Besser entwickelt als erwartet haben sich Immobilien in manchen osteuropäischen Ländern - allen voran in Polen und Rumänien, aber auch in Russland. Erstere konnten ihre Wirtschaft vom (kriselnden) Westeuropa abkoppeln und einen stabilen Kurs beibehalten. In Russland ist der hohe Ölpreis als Grund für eine Sonderkonjunktur zu nennen. Als für Investoren sicheres Land nennt Ridder die Tschechische Republik. "Gewisse Risiken" Es sei schon 2011 die "Flucht in die Qualität" einiger Investoren zu bemerken gewesen, meint Ridder. "Zum Beispiel in Einkaufszentren in guten osteuropäischen Märkten, also in Sektoren, die in diesen Ländern als sicher gesehen werden." In osteuropäischen Ländern gebe es zudem noch eine gute Verzinsung. "Der Abstand zwischen deutschen Bundesanleihen, die als Richtwert herangezogen werden, und dem Durchschnitt aller osteuropäischen Renditen", rechnet Ridder vor, "belief sich 2007 auf einen Prozentpunkt. Heute liegt er bei 4,75 Prozentpunkten." Es gebe gewisse Risiken, räumt er ein, aber diese würden gut entlohnt. Das ist sicher auch ein Grund dafür, warum 2011 in Osteuropa mit 11,2 Milliarden Euro doppelt so viel investiert wurde wie im Jahr zuvor. Das entspricht rund zehn Prozent aller europäischen Investments in den Sektor. 2007 betrug dieser Anteil nur etwa sechs Prozent. In Westeuropa wiederum seien im Vorjahr vor allem Deutschland, Schweden, Frankreich und Großbritannien nachgefragt gewesen, sagt Ridder. Bei Letzterem vor allem die Hauptstadt London.