Die Österreichische Post AG nimmt im nächsten Jahr die Errichtung ihrer neuen Zentrale am Rochusmarkt (Rasumofskygasse) im dritten Wiener Gemeindebezirk in Angriff (derStandard.at berichtete). Dabei soll nach den Prinzipien der Lebenszykluskosten-Betrachtung vorgegangen werden. "Wir sind nämlich der Idealfall dafür: Wir wollen selber bauen und selber nutzen", sagt Michael Ullrich, Leiter der Konzernimmobilien der Post AG.

Planen für 30 Jahre

Rund 80 Prozent der Flächen des Neubau- und Sanierungsprojekts werden von der Post später selbst genutzt, 20 Prozent werden an Fremdmieter vergeben. Unter anderem soll das Gebäude, wie berichtet, Einzelhandelsflächen beherbergen.

Ausgegangen wird von einem Lebenszyklus von 30 Jahren, wie bei gewerblichen Bauten üblich. Betrachtet man die gesamten Lebenszykluskosten für diesen Zeitraum, so entfällt nur ein Fünftel auf Planung und Errichtung, die anderen vier Fünftel auf die Betriebskosten, erklärt Karl Friedl, Geschäftsführer von M.O.O.CON und Sprecher des Vorstands der IG Lebenszyklus Hochbau

Bei Logistikprojekt selbstverständlich

Die Entscheidung für den neuen Standort in der Rasumofskygasse fiel Anfang 2012, vor etwa einem Jahr begann die "Strategiephase", so Ullrich. Die größte Herausforderung dabei sei, der Tendenz zum Verschieben von Entscheidungen nicht nachzugeben: "Schon ganz zu Beginn muss man wahnsinnig viele Entscheidungen treffen. Es gibt aber stets die Grundtendenz, genau diese Entscheidungen eben am Anfang nicht zu treffen." Das Prinzip der integrativen Planung soll das verhindern. "Alle sind gezwungen, permanent zusammenzuarbeiten." Selbst die Baufirmen werden "frühzeitig eingebunden" und werden um ihren "produktiven Input" gebeten.

Ullrich zieht einen Vergleich zum derzeit in Bau befindlichen Logistikzentrum der Post im oberösterreichischen Allhaming. "Bei so einem Projekt würde doch auch niemand auf die Idee kommen, die ganze Logistik erst nachher einzuplanen" – warum also bei der neuen Unternehmenszentrale?

Kooperation mit Architektenkammer

Mehr als hundert Architekturbüros hatten die Unterlagen des zweistufigen Wettbewerbs angefordert, dabei waren zunächst noch keine Lebenszykluskosten-spezifischen Anforderungen verlangt. Zur zweiten Runde wurden acht Büros zugelassen, und hier war dann bereits "systematische Qualität gefordert", so Ullrich. "Teambuilding" war ausdrücklich erlaubt bzw. sogar erwünscht – wobei man erwartete, "dass sich die Teams von selber finden - das ist wesentliche Voraussetzung für nachhaltiges Bauen", sagt Friedl.

Kritik am Lebenszykluskosten-orientierten Bauen wird gerade von Seiten der Architekten oft geübt, weil kleine Büros die intensive Planungsarbeit nicht schaffen würden. Man suchte deshalb die Zusammenarbeit mit der Architektenkammer. Ganz offenbar mit Erfolg, meint Stephan Heid, Partner von Heid Schiefer Rechtsanwälte, der den Planungsprozess rechtsberatend begleitete: Ausschließlich kleine bis mittelständische österreichische Büros hätten sich schlussendlich durchsetzen können, berichtet er; große, international tätige Büros hatten das Nachsehen.

Alle acht Büros der zweiten Phase dürfen sich als Sieger sehen, das Honorar von 100.000 Euro wird unter ihnen aufgeteilt – "wobei der Erste etwas weniger bekommt, denn der bekommt ja ohnehin den Auftrag", so Ullrich.

ÖGNI in Silber angestrebt

Das Prinzip der Lebenszykluskosten bringt es mit sich, dass nach dem abgeschlossenen Wettbewerb gleich die Umsetzungsplanung kommt. Mitbedacht müsse dabei unter anderem auch werden, dass sich unter der Post-Liegenschaft in der Rasumofskygasse ein Telekom-Knoten befindet - "und der muss während der gesamten Bauphase ungestört funktionieren".

Angestrebt wird mit dem Projekt von Schenker Salvi Weber und feld72 nun der Passivhausstandard sowie eine Zertifizierung nach ÖGNI in Silber. Ein Verkehrskonzept sowie ein "urbanes Begleitkonzept" sind ebenfalls Teil der Planungen, ein anfangs als möglich erachteter direkter Zugang zur U-Bahn-Station Rochusgasse erwies sich aber nach Gesprächen mit den Wiener Linien letztendlich als nicht durchführbar.

Mitarbeiterzahl soll noch schrumpfen

Teil des Konzepts ist übrigens auch eine weiter schrumpfende Anzahl an Mitarbeitern: Im derzeitigen Ausweichquartier in der Haidingergasse sind noch rund 1.200 Menschen beschäftigt, in der neuen Zentrale, die 2017 bezogen werden soll, wird es aber nur noch 1.000 Arbeitsplätze geben.

An Nutzfläche sparte man schon beim Umzug aus dem alten Gebäude in der Postgasse im 1. Bezirk ins Zwischenquartier im 3. Bezirk kräftig: Man stellte damals von Einzelbüros auf Großraumbüros um, was eine Flächenverringerung von 50 Prozent mit sich brachte, berichtet Ullrich.

Eingang für Drittmieter

Ein weiterer Personalabbau ist nicht ausgeschlossen. Ein eigener Eingang für potenzielle spätere Drittmieter im neuen Gebäude wird deshalb gleich mitgedacht. Auch beim geplanten Einkaufszentrum mit 5.000 m² Verkaufsfläche weiß man schon, welche Branchen wo einziehen werden können.

Ob das kleine Shopping Center auch selbst gemanagt wird oder ob das Management extern vergeben wird, steht zwar noch nicht fest, wird laut Ullrich aber ebenfalls bis zum Vorentwurf feststehen. Das Gebäude wird insgesamt drei Untergeschoße bekommen; zwei zum Parken (240 Stellplätze), eines als Shopping Mall.

54 Mitglieder der IG Lebenszyklus

Die Anfang 2011 gegründete IG Lebenszyklus Hochbau hat derzeit schon 54 Mitglieder. Im November wird es einen großen Kongress geben, auf dem außerdem ein neuer "Leitfaden für eine lebenszyklusorientierte Immobilienerrichtung und –nutzung" präsentiert werden soll. (Martin Putschögl, derStandard.at, 24.5.2013)

 

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